2 Dörfer - 100 - Jahre - Das Festivalstück auf hochdeutsch
Schauspiel von Oliver Nedelmann
Im Jahr 2019 veranstaltete die Stadt Rödermark und viele Vereine ein Kulturfestival, das unter dem Motto „Frieden und Freiheit in Europa“ firmiert. Im März fand das Festival in Ober-Roden, im Juni in Urberach statt. Die Brücke –sowohl örtlich als auch zeitlich- wurde unter anderem durch ein Schauspiel von THEATER & nedelmann geschlagen, das an verschiedenen Orten in Rödermark gastierte.
Der Auftrag des Theaters an den Hausautor lautete, ein Theaterstück zu schreiben, „das zwei Dörfer in der Mitte Europas zeigt und wie ein Jahrhundert seinen Stempel aufdrückt“. Herausgekommen sind 18 liebevolle Szenen voll Wärme, Nähe, Humor und Zärtlichkeit – und immer lebensbejahend nach vorne blickend. „Mer pagge des“ heißt nicht umsonst der Titel des Stückes. Im Jahr 1919 geht es los, im Jahr 2019 endet die Reise.
Eine Spezialität von THEATER & nedelmann ist es, einen sozusagen öffentlich-rechtlichen Ernsthaftigkeitsanspruch mit intelligentem Humor zu vereinen - sozusagen das theatrale Überraschungsei: Schokolade und was Spannendes und was zum Spielen. Nun, die Schokolade muss der Zuschauer mitbringen, aber den Rest liefert das Theater.
Legte man ein (imaginäres) Luftbild der Dörfer Ober-Roden und Urberach aus dem Jahre 1919 über ein heutiges, fielen vor allem die Unterschiede auf: viele neue Baugebiete, sogar ein zusätzlicher Stadtteil, neue Straßen. Aber langsam würde man viele der alten Landmarken wiederfinden: die beiden großen Kirchen in den Dorfkernen, der Verlauf der Schienen und der Hauptstraßen. Einige markante Gebäude würde man vermissen, andere stehen noch. Der Verlauf der Rodau wäre zum Teil ein anderer.
Die übereinandergelegten Bilder erzeugten ein interessantes Spannungsfeld zwischen Neuem und Altem, zwischen Veränderung und Konstanz.
Nimmt man Postkarten aus Urberach und Ober-Roden von ungefähr 1920 in die Hand, werden durchaus die imposanten Gebäude der Dörfer und sogar eine Fabrik gezeigt, aber das Ganze hat doch einen anmutigen Charme.
Greift man zu Postkarten aus den sechziger und siebziger Jahren, ist die Idylle ausgetrieben: stolz werden Betonbauten und Wohnblocks präsentiert. Das Alte hat keinen Platz mehr.
Heute würden Postkartengestalter wahrscheinlich alles daran setzen, die verbliebenen Fachwerkhäuser ins rechte Licht zu rücken und die grünen Ecken der Stadt zu betonen.
In diesen Spannungsfeldern spielt das Theaterstück „Mer pagge des“. Aber naturgemäß geht es im Theater nicht um die Geschichte von Beton und Asphalt, sondern um die Geschichten der Menschen aus Fleisch und Blut. Wir erzählen Geschichte durch Geschichten; das ist Heimatkunde im besten Sinne.
Und: auch wenn der Titel anderes verheißt – das Stück ist auf hochdeutsch. Und selbstverständlich kommen auch Nicht-Rödermärker auf ihre Kosten. Garantiert!